Mumien von Kralovice

In dem Pflasterboden der Herz Jesu-Kapelle gibt es eine Holzfalltür, unter der sich eine in die unterirdische gewölbte Krypta führende Ziegeltreppe befindet. An den beiden längeren Wänden stehen Särge mit sterblichen Überresten der Familie Gryspek, die ursprünglich in Metallsärgen geruht hatten, welche jedoch angeblich Abt Kryštof Tengler 1668 schmelzen ließ und für Orgelpfeifen in der Plasser Kirche verwendete. Seit jener Zeit ruhten die Gryspeks in offenen mit Jahreszahlen 1612, 1618, 1622 versehenen Holzsärgen. Heute liegen sie in Särgen mit Glasdeckeln. Florian Gryspek fand hier seine Ruhestätte 1588 und an seiner Seite wurden seine Gattin Rosina sowie weitere 15 Familienmitglieder beigesetzt. Die Gruft wurde das erste Mal erst nach ein hundert Jahren geöffnet und zu dem Zeitpunkt wurden ihre in Zinnsärgen beigesetzten Körper merkwürdig gut erhalten gefunden. Es entstand eine Legende über das letzte Festmahl in Kaceřov, bei der sich alle Familienmitglieder nach der Beschlagnahme ihres Vermögens 1623 vergiftet haben sollen. Der Erhaltungsgrad der Körper hat im 19. Jh romantisches Interesse geweckt und mehrere Sagen über den tragischen Geschlechtseingang hervorgerufen. Wer jedoch ruht wirklich in der Gruft?

Die Antwort auf diese Frage können wir in der alten Beschreibung der Kralovicer Gruft von Anton Fischer suchen, der sie noch vor den Eingriffen besucht hatte (1.). Durch die Entfernung der Zinndeckel von den Särgen kam es zur ersten Beschädigung dieser Altertümlichkeiten, der selbstverständlich weitere nachfolgten. Es ist allgemein bekannt, dass es an jedem Zinnsarg oder Sarkophag eine gravierte Zierinschrift gab und die Gryspek-Särge reichlich verziert waren. Dadurch, dass die Körper in nicht gekennzeichneten Särgen liegen blieben, erlosch auch die Möglichkeit, die Überreste mit Namen des Gestorbenen, seinem Alter und Sterbedatum zu identifizieren. Der Sarg mit dem Datum 1612 deutet an, dass der Selige unter der Regierung von Kaiser Matthias gestorben ist, wobei der Tod der 1618 und 1622 Gestorbenen mit dem Ständeaufstand und der Verfolgungszeit unter Ferdinand II. zusammenhängen kann. Der Erste, der in diese Gruft beigesetzt wurde, war offensichtlich Florian Gryspek im Jahre 1588. Das bestätigen die schriftlichen Nachrichten sowie die Epitaphinschrift im Mausoleum über der Gruft. Von den Kindermumien kann man mit Recht darauf schließen, dass es Nachkommen Florians Söhne sind, die vor 1618 und eines natürlichen Todes gestorben sind.

Schon in der Zeitschrift Hylos aus dem Jahre 1820 schrieb Welleba über 18 Körper in der Gruft von Kralovice, die dort seit 1612 geruht hätten. Er hat dieses Datum wahrscheinlich mit der Angabe an einem der Särge verbunden. In Sommers Topographie aus dem Jahre 1838 sind 16 Körper angeführt. Keiner der Autoren führt aber an, ob in die Zahl auch die Kindermumien einbezogen wurden. Jetzt (1848) beinhalte die Gruft 5 Männer, 7 Frauen, den Kopf und die Brust eines Mannes und einen etwa zweimonatigen kopflosen Kinderkörper. Wir sehen hier einen wesentlichen Unterscheid in der Zahl der beigesetzten Körper. In der jüngeren Zeit wurde die sehr verwahrloste Gruft sorgfältig in Ordnung gebracht, zerfallene alte Särge wurden mit neuen aus weichem Holz ersetzt, einige Mumien wurden neu gekleidet und in alte noch verwendbare Särge verlegt. Dies verdient zwar Anerkennung, allerding dadurch wurde es noch schwieriger feststellen zu können, wer in den Särgen liegt.

  1. Der erste Sarg ist gelb, neu, aus Eichenholz (der erste in der Ostreihe von dem Fenster). Auf dem Kopf dieser Mumie sind kastanienbraune Haare und Spitzbart zu sehen. Unter dem Kopf eine Kappe aus braunem Seidensamt und ein mit Schafwolle gepolstertes Hirschlederkissen, dessen oberer Teil mit schwarzem Tuch bedeckt ist. Der dort Liegende ist angeblich Florian Gryspek….
  2. In dem zweiten Sarg liegt Rosina. (Fortsetzung in der Beschreibung)
  3. Der dritte Sarg ist ebenfalls neuer Herkunft aus Eichenbrettern und in ihm liegt ein männlicher Körper
  4. Sarg neuerer Herkunft aus Eichenholz. In ihm ein männlicher Körper, der für Schlosskaplan gehalten wird. Auf dem Kopf hat er eine Kappe aus schwarzem Samt, das Kissen unter dem Kopf aus schwarzer Seide, Haare kastanienbrauner Farbe, am Kinn wenig Barthaar.
  5. Alter Sarg aus Weichholzbrettern, schwarz angestrichen. In ihm ein männlicher Körper, sein Kopf, mit schwarzem Seidenbarett bedeckt, ruht auf einer weißen Leinen-Kopfkissenunterlage. Das Wams, in das der Mann gekleidet ist, ist aus gelbem Seidenstoff mit roten und blauen gestickten Porten …Ich halte diese Mumie für die Überreste von Blažej Gryspek, Václavs Sohn und Erbe von Nelahozeves, der zusammen mit Varlich von Bubno in den 1618 bis 1620 herrschenden Chaos einbezogen gewesen sein soll.
  6. Alter Sarg, sieht wie der fünfte aus. Dort liegt ein weiblicher Körper, der auf dem Kopf eine Kappe aus schwarzem Samt hat. Das Kleid aus schwarzer Seide, gesäumt mit Samt und geziert mit schwarzen Schnüren, von oben nach unten offen, mit dem oberen Kleid mittels enger Ärmel verbunden. Auf Füssen Hirschlederstiefel mit schwarzen Samtspitzen. Leere Augenhöhlen, verzerrte Lippen, das Gesamtaussehen dieser Frau ist grausam.
  7. Alter Sarg aus Weichholzbrettern, schwarz angestrichen, auf der Kopfseite weiß geschriebene Jahreszahl 1618 und Buchstaben M.G.+ Z.G. id est M.G. + Z.G. Dort liegt ein männlicher Körper, der zur Zeit für Václav, Florian Gryspeks Sohn gehalten wird und der ihm auch ähnlich ist. Auf dem Kopf sehen wir noch kastanienbraunes Haar, im halboffenen Mund sehen wir gesunde weiße Zähne. Seine Kleidung besteht aus einem roten Seidenwams. Am Hals weiße Seidenspitzen; eine weite spanische Hose aus rotem Drucksamt mit schwarzen Seiden…, weiße Seidenstrümpfe, Schuhe mit weißem Aufsatz .
  8. In zwei ineinander liegenden alten schwarz angestrichenen Weichholzsärgen ruht ein weiblicher Körper, etwa 18 Jahre alt. Der Kopf ganz haarlos, Mund halbgeöffnet. Unter dem Kopf ein Kissen aus schwarzem Tuch, enges schwarzes neues billiges Kleid. Im Sarg auch ein Stück grüne Tunika und über dem Sarg quer auf einem Brett liegend ein nacktes kopfloses Kinderkörper, knapp acht Wochen alt. (Offensichtlich handelt es sich um eine Wöchnerin mit Kind.)
  9. Alter Sarg, aus Weichholz, schwarz angestrichen und in ihm ein weiblicher Körper, auf dem Kopf keine Haare. Als Kleidung Atlastunika mit schwarzem Korsett.
  10. Der Sarg sieht wie der vorherige aus. In ihm ruhen zwei Mädchenkörper und noch der obere Teil von einem männlichen Körper mit Kopf.
  11. Sarg alter Herkunft, in ihm ein weiblicher Körper ohne Haare, in ein schwarzes Seidenkleid mit reichen Spitzen und in weiße Seidenstrümpfe ohne Schuhe gekleidet.

Aus dem oben Erwähnten ist ersichtlich, dass wahrscheinlich keine der Mumien in ihrem ursprünglichen Sarg ruht, dass bei vielen weiblichen Personen das Kleid ihrer Sterbezeit nicht entspricht und dass vielleicht die Kleider vom Altwarenhändler verwendet wurden, um die Mumien notweise zu kleiden. Aus der oben angeführten Kleidung ist ersichtlich, dass es sich um einen typischen Renaissancekleidertyp handelt, der aus zugeknöpfter Mieder (Korsett), verschnittenen Ärmeln, wattierten kurzen Hosen, anliegenden Strümpfen besteht. Typisch war Barett; wie die Haare gekürzt wurden, wurde höhere Aufmerksamkeit dem Bart gewidmet (Schnurbart und Spitzbart). Es haben nicht Spitzenkragen oder Halskrause gefehlt. Es erscheinen auch Militär- und Gesellschafts- sowie Reformationskleidung. Seide, Samt, Spitze entsprachen der gesellschaftlichen Stellung der Gestorbenen. Welche von ihnen sind jedoch die ruhmreichen Florian und Rosina? In den 70. Jahren des 20. Jahrhunderts wurde eine anthropologische Mumienanalyse und -behandlung von Dr. Eugen Strouhal vorgenommen.

Text: Irena Bukačová

[1] Anton Fischer, Die Gruft der Herren Griesbeck Ritter von Griesbach, Pilsner Anzeiger, Nr. 1 - 1848

 

Kleidung der Mumien von Kralovice

Bericht über den Zustand der überlieferten Kleidung in der Gruft der Familie Grispek von Griesbeck in der Pfarrkirche Kralovice

Erstellt von: Mgr. Veronika Pilná

NPÚ ÚOP in Pilsen, Abt. EDIS

pilna@plzen.npu.cz

Aktuell befinden sich in der Gruft insgesamt 12 beigesetzte Körper mit beurteilbaren Textilresten. Insgesamt 7 Körper tragen eine in Torsos überlieferte authentische Trauerausstattung, 4 Beigesetzte befinden sich zur Zeit in sekundär beschaffenen „Totenhemden“ aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts (gemäß Fischer, 1848) und einer der Körper weist eine einzige Kleidungskomponente aus der Begräbniszeit auf. Sämtliche überlieferten Kleidungsstücke können schnitt- und materialmäßig oder sogar komplett zu überlieferten zeitlichen Abbildungen sowie zur überlieferten Kleidung analogiert werden.

Körper No Geschlecht Datierung der Trauerausstattung
1 Mann Anfang des 17. Jhs
2 Frau(?) Anfang des 19. Jhs
3 Mann Ende des 16.Jhs/Anfang des 17. Jhs
4 Mann Ende des 16.Jhs/Anfang des 17. Jhs
5 Mann Anfang des 17. Jhs
6 Frau Ende des 16.Jhs/Anfang des 17. Jhs
7 ? Anfang des 17. Jhs
8a Frau Anfang des 19. Jhs
8b Frau Anfang des 19. Jhs
9 Frau Ende des 16.Jhs/Anfang des 17. Jhs
10 Mann Anfang des 19. Jhs
11 Mann(?) Anfang des 17. Jhs

1 – Körper, für Florian Gryspek gehalten. Gekleidet im Wams aus schwarzem Damast, wahrscheinlich aus Seide, mit schwarzer Verbrämung und in schwarzer sog. Plunderhose aus Seide mit markanten Säumen. Auf dem linken Fuß ein Schuhtorso mit achtförmiger Sohle, hergestellt mittels Rahmentechnik (typisch für diesen Zeitabschnitt).

2 – wahrscheinlich weiblicher Körper, höchstwahrscheinlich in schwarzes Kleid mit Seidenkragen im Empirestil umgezogen. Kleidung als Totenhemd mit langem Schlitz im Rückenteil gestaltet. (Dieser Körper ist in demselben Zustand von Fischer beschrieben worden.) Im Bezug darauf, dass die Arme dieses Körpers vor der Brust gekreuzt sind, was die Umkleidungsmöglichkeit erschwert, wäre zur sicheren Feststellung der Datierung der Trauerausstattung eine ausführlichere Textilanalyse erforderlich.

3 – alter Mann. Der authentischen Trauerausstattung nach kann angenommen werden, dass es sich um den ältesten beigesetzten Körper in der Gruft handelt, was jedoch der allgemein angenommenen Bestimmung von Florian Gryspeks Körper widerspricht. Der Mann wurde im weißen Leinenhemd mit Manschetten mit Klöppelspitze beigesetzt. Auf der unteren Körperhälfte knielange Hose angezogen mit mehreren Versteifungsschichten unterlegt, die als Wattierung dienen. (Die ganz genaue Hosenform könnte erst nach einer detaillierten Messung des überlieferten Restes und der Längen am Körper bestätigt werden, wozu wir leider nicht genug Zeit hatten.) Am Körper ein stark versteiftes schwarzes Seidenwams (Doublet) überliefert. Die Versteifung stellte vor 1600 eine beliebte Weise zur Kleidungsformung dar. Über dem Wams ferner ein schwarzer Damastmantel ohne Schnurverschluss angezogen. Auf dem Kopf bis heute eine Mütze aus braunem Seidensamt gesetzt. An den Beinen gestrickte zusammengenähte Strümpfe und auf dem linken Fuß ein Seidenschuh mit Verschnitten mit Ledersohle in einer vor 1600 wieder üblichen Form überliefert.

4 – alter Mann im Dolmanmantel. Männlicher Körper im schwarzen Seidenmantel mit Schnurverschluss, sog. ungarischen bzw. Dolmanmantel gekleidet. An den Beinen zerrissene gestrickte Seidenstrümpfe überliefert.

5 – Blažej Gryspek. Männlicher Körper gekleidet im bunten, aufwändigen Anzug mit metallischen Tressen. Fischers Beurteilung nach handelt es sich um Blažej Gryspek. Bis Gegenwart wurde das untere Wams aus weißem Damast mit bunten rotgrünen Blüten, verziert mit Tressen aus goldenem oder silbernem Flittergold, Verschluss mit kleinen Fadenknöpfen aus demselben Material überliefert. Auf diesem unteren Wams noch ein vorne offenes Wams (genannt auch „Jacket“) aus gelbem Schlingensamt mit kleinen Floramotiven. Auch das obere Samt mit goldenem Flittergold verziert und mit feinem Seidentuch unterlegt. Aus gleichem Material wie das obere Jacket auch weite Plunderhose genäht und mit gleichem Flittergold verziert. An den Beinen braune Seidenstrümpfe angezogen. Von Schuhen nur das obere Teil eines Lederschuhs überliefert.

6 – Rosina (?) Frau, gekleidet im langen schwarzen spanischen Seidenmantel vom Typ „Ropa (Surcoat)“ gesäumt mit schwarzen Tressen und im weißen Leinenhemd (Manschettenreste überliefert). Ein Schuhteil mit 8-förmiger Sohle aus hellem Leder überliefert mit mit braunem Seidensamt beschichteter und mit braunem Atlasband verzierter Spitze.

7 – Körper versehen nur mit linkem Strumpf aus gelbem Seidengarn mit dunkelgrüner Spitze. Im Sarg ein frei gelegter Strumpf weißer Farbe vielleicht aus dem Anfang des 1. Jhs überliefert.

8a und 8b Zwei Mädchenkörper (?) umgezogen in helle Seidenkleider im Empirestil. Das ältere hat ein Kleid mit kurzen Ärmeln. Das jüngere ein Kleid mit langen Ärmeln, am Handgelenk mit grünem Seidenband geschnallt.

9 – junge Frau. Junge Frau im Torso eines schwarzen Seidenkleids im manieristischen Stil mit verschlossenem Mieder und sog. Gänsebauch. Das Kleid mit schwarzen Seidentressen verziert. Ärmel nicht überliefert.

10 – Person, in Fischers Zeit wahrscheinlich für einen Geistlichen gehalten. Im weißen Empirekleid oder Totenhemd mit schwarzem Spitzenkragen.

11 – Mann, beigesetzt im verschnittenen Purpurwans mit hellen Tressen und in schwarzer Plunderhose aus Seidenschlingensamt mit Floramotiven und Verzierung aus schwarzen Tressen. Am Körper Leinenhemdreste. Auf dem Kopf ein Hut aus braunem Seidensamt, gesäumt mit braunem Seidenband. Beine immer noch in hellen Seidenstrümpfen mit Strumpfhaltern aus Seidenband gekleidet und in mittels Rahmentechnik gefertigten Schuhen mit 8-förmiger Sohle angezogen.

Bei allen überlieferten Kleidungsstücken kann das wahrscheinliche ursprüngliche Aussehen mindestens teilweise zeichnerisch rekonstruiert werden. Anliegend zeichnerische Rekonstruktionen der Kleidungsstücke bei Körpern 5 und 11.

Pilsen, den 1. 3. 2012 Mgr. Veronika Pilná

Literatur

• Bukačová, Irena: Kostel sv. Petra a Pavla v Kralovicích. Muzeum a galerie severního Plzeňska v Mariánské Týnici und Občanské sdružení Gryspek pro záchranu kostela sv. Petra a Pavla v Kralovicích in der Zusammenarbeit mit Nadační fond Mariánská Týnice, 2010, ISBN 978-80-87185-11-7.

• Fischer, Anton: Die Gruft der Herren Griesbeck : Ritter von Griesbach, und die Schicksale dieses Geschlechtes, nach historischen Quellen, mit einer Abbildung des Mausoleums, dann dem Blane der Gruft / von Anton Fischer. Pilsen. M. Schmid, 1848.